16.06.10 11:26, Heiko
In der Aftenposten steht ein sehr guter Artikel über Sprachprobleme von Ausländern (speziell deutschen) in Norwegen: http://www.aftenposten.no/meninger/kronikker/article3691016.ece

Viel Spaß beim Lesen,

Heiko

16.06.10 12:04, Drillo no
Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Wie Recht die Verfasserin hat ;).

16.06.10 12:52
Seufz, ja.
Und dazu kommt, dass man, wenn man längere Zeit in Norwegen gelebt hat, anfängt norwegisch zu "denken". Und auf norwegisch "denkt" man anders als auf deutsch. Das kann sogar deinen Charakter beeinflussen...

16.06.10 14:51, Mestermann no
Ja, das trifft leider auch für uns Norweger zu... ;-)

16.06.10 15:12
Als ich nach längeren Zeit anfing, wieder deutsche Bücher zu lesen, war es, als hätte ich etwas Verlorenes wiedergefunden. Mit viele Formulierungen, die mir gefehlt hatten und Gedankenkonstruktionen, die andere Dimensionen eröffneten.

16.06.10 15:37
Wie ist es denn mit Norwegern in deutschsprachigen Ländern? Verlieren die nach einigen Jahren ihren Akzent vollständig?

16.06.10 15:47, Mestermann no
Das ist sehr unterschiedlich - Akzente nachzuahmen ist wohl eine Sonderbegabung. Ich spreche z.B. mehr oder
weniger akzentfreies Deutsch, während ein guter, norwegischer Freund von mir, der genau so gut Deutsch beherrscht,
mit deutlichem Akzent spricht.

16.06.10 15:51, Florakom ch
Ich hab mal jemanden erlebt, der Norweger war und so gut deutsch konnte als wäre es die Muttersprache. Das heisst, man kann auch als Norweger so gut lernen, dass es Andere nicht merken,dass man nicht Deutscher ist.

16.06.10 15:52, Florakom ch
Übrigens:
Auch als ich noch nicht so gut Norwegisch konnte, ahmte ich den Akzent sehr gut nach, was mir Andere bestätigten.

16.06.10 15:56
Vielleicht bist du da im Vorteil als Schweizer.
Ich hab schon öfter gedacht, wenn ich Schweizer sprechen hörte: Das klingt jetzt irgendwie fast Norwegisch von der Melodie her!

16.06.10 16:12, Florakom ch
Also, soweit würde ich nicht gehen, aber klar im Berndeutsch kann es schonmal vorkommen:
I heyssä Florakom u chume us Bärn. Döt hätts viuui schönni Sehenswürdikeyte wi zum Bischpiuu de Bäregrabe. Forschtöiter de Tekscht?

16.06.10 18:50, Mestermann no
Schweizer und Österreicher haben da auf Norwegisch einen eindeutigen Vorteil. Umgekehrt bleibt auch bei
"akzentfreien" Norwegern auf Hochdeutsch oft einen kleinen Singsang übrig, der zu vermuten lässt, dass man
ursprünglich Österreicher od. Schweizer ist.

16.06.10 18:54, Mestermann no
Wer war übrigens der Norweger, der so perfekt Deutsch sprechen konnte? Hatte er es als Erwachsener gelernt?

16.06.10 21:16, Geissler de
Meine norwegische Frau spricht beinahe akzentfrei Deutsch (sie hat es erst im
Erwachsenenalter gelernt, in München), wird aber ziemlich oft für eine Schweizerin
gehalten.

Noch ein Wort zu dem Artikel: Die Analyse mag ja zutreffen sein, allerdings irrt die
Autorin, wenn sie annimmt, das sei ein spezifisch norwegisches Problem oder habe inhärent
etwas mit norwegischen Verhältnissen zu tun.
Daß sprachliche Fertigkeiten eine unbedingte Voraussetzung von gesellschaftlicher Teilhabe
sind, ist nach jahrelangen Integrationsdebatten ein alter Hut, und der Grad der Teilhabe
hängt eben auch vom Grad der Aneignung und Durchdringung verschiedenster Sozio- und
Regiolekte ab. Das ist in Oslo nicht anders als in München, Paris oder Tokio.

16.06.10 22:33, Drontus no
Wie aber die Autorin schon beschreibt, ist das besondere an der norwegischen Sprache, dass man durch die "sideformer" etliche, allesamt korrekte, Alternativen hat. Nur durch eine gekonnte Auswahl hat man eine "neutrale" Sprache. Dagegen ist Hochdeutsch relativ klar - eine Schreibweise ist entweder richtig oder falsch.

Ich spreche akzentfreies Hochdeutsch, wie die meisten Niedersachsen (ob hier geboren oder nicht), und habe es während eines Austauschjahres mit 18 gelernt - gilt das als Erwachsener? ;-) Allerdings komme ich von der norwegischen Westküste, und die Melodie in unserem Dialekt kommt der Melodie in Hochdeutsch näher als es für Bokmål der Fall ist. Außerdem bin ich relativ musikalisch, was sicherlich nicht von Nachteil ist.

16.06.10 23:18, Staslin no
(Deutsch-)Schweizer haben ganz klar einen Vorteil, wenn es um die Aussprache des Norwegischen geht. Genauso wie ich als Norwegerin wenig Mühe habe mit der Aussprache des Schweizerdeutschen und ich darum manchmal gefragt werde, woher aus der Schweiz ich komme. Die Aussprache der beiden Sprachen ist viel ähnlicher als z.B. Hochdeutsch und Norwegisch.

17.06.10 00:17, Geissler de
Ich muß immer lachen, wenn ich vom "akzentfreien Hochdeutsch" der Niedersachsen höre, wo
das Fead aufm Weech Ratt feat und die Meedchen komm'.

Um Schreibweisen geht es übrigens eh nicht, sondern um mündliche Ausdruckformen. Und da
habe ich, besonders als Süddeutscher, eine gewaltige Auswahl aus einem Register, das sich
übergangslos vom breitesten Dialekt zur akademischen Hochsprache zieht, ganz abgesehen von
diversen Soziolekten und Jargons. Und das Schöne an der gesprochenen Sprache ist, daß es
keinen gibt, der beckmesserisch mit einer staatlichen Sprachvorschrift (eine solche gibt
es hier eh nicht) wedelt.

Die Wahlmöglichkeiten mögen im Detail andere sein als die zwischen boken, boka und
boki, die Auswahl ist deswegen hier oder anderswo nicht kleiner und für den Lerner einer
Sprache gleich leicht oder schwer.

17.06.10 00:56
Huch Geissler, wo "das Fead aufm Weech Ratt fead und die Meedchen kom", soll das niedersächsisch sein? Was soll der Blödsinn?

17.06.10 01:57
In vielen Gegenden Niedersachsens gibt es einen ziemlich deutlichen Akzent, oft etwas plattdeutsch eingefärbt (z.B. da, wo ich herkomme). Aber um Hannover herum ist ein etwaiger Akzent wirklich sehr schwach ausgeprägt, meiner Meinung nach. Wahrscheinlich hat Drontus dort Deutsch gelernt.

17.06.10 10:37, Drontus no
Geisslers Zitat hört sich aber mehr nach Hamburg an, und das ist nicht Niedersachsen. ;-)

Gut, es gibt durchaus Ecken auch in Niedersachsen, wo noch Platt gesprochen wird (besonders Ostfriesland und das Grenzgebiet zu den Niederlanden), aber sonst wird vorwiegend ein nahezu akzentfreies Hochdeutsch gesprochen. Ich habe zwar die meiste Zeit im Großraum Hannover gelebt, Deutsch gelernt habe ich allerdings bei einer bayerischen Familie im Ruhrpott.

Aber um auf das Thema zurückzukommen: Es ist mir schon klar, dass es hier nicht um die Schriftsprache geht, aber die Schriftsprache ist ja die "Richtschnur" auch für die mündliche Sprache, wenn man damit keinerlei Zugehörigkeit zu irgendeiner Gruppe ausdrücken will, also ganz einfach neutral sprechen möchte. Und das ist m.E. in Norwegen schwieriger als in Deutschland.

Ich kenne einen Amerikaner, der seit über 20 Jahren in unserer Stadt lebt. Wenn man nur seine mündliche Wortwahl betrachtet, ist sie perfekt. Er arbeitet viel mit Jugendlichen, und kann wunderbar zwischen deren Ausdrucksweise und der "Erwachsenensprache" wechseln. Allerdings gehört er sprachlich nirgendwo ganz dazu, weil man immer seinen starken amerikanischen Akzent raushört - er ist und bleibt der Amerikaner. Und das Problem hat man überall, egal welche Sprache man lernt.

17.06.10 11:33
Ich fühle mich nicht diskriminiert, weil ich nicht akzentfrei Norwegisch spreche. Ich finde, es klingt charmant, wenn jemand eine fremde Sprache sehr gut spricht, aber seinen Akzent nicht verloren hat.

17.06.10 12:14
@ Drontus: Genau das habe ich auch gedacht! Wobei, vielleicht im Norden Niedersachsens, direkt an der Grenze zu Hamburg...? :-)

Vermutlich spricht niemand, weder aus Niedersachsen noch aus einem der anderen 15 Bundesländer, "perfekt hochdeutsch", aber ich denke auch, dass die Hannoveraner relativ nah dran sind. Das ist ja keine Auszeichnung, man spricht dort auch nicht "besser", nur einfach ein bisschen "hochdeutscher" als im tiefsten Bayern, Sachsen oder Hessen.

Und auch ich habe Norweger, die Deutsch sprachen, schon für Schweizer gehalten (wenn auch nur kurz). Anscheinend ist da die Sprachmelodie einfach ähnlicher. Einen Norddeutschen kostet das ganz schön Überwindung so zu "singen"... :-)

Daniela

17.06.10 12:50
Nicht alle Norweger "singen" so stark. Ich kenne allerdings auch welche, die aus jedem Satz sprachmelodisch eine Frage machen. Schrecklich.

17.06.10 14:47
WARUM AKZEPTIERT DIE DAME NICHT EINFACH, DASS SIE KEINE NORWEGERIN SONDERN DEUTSCHSTÄMMIGE IM AUSLAND IST??
Wie man auf andere wirkt, ist nicht nur vom mündlichen Sprachgebrauch abhängig. Und wenn sie auf eine bestimmte Wirkung abzielt, sollte sie sich evtl. vorher mit Menschen des ihrer Meinung nach "richtigen" Schlags mischen.

17.06.10 16:38, Florakom ch
Warum sollten wir Schweizer denn einen Vorteil haben?
Ich hab's noch nicht begriffen.
Welche Wörter gibt's denn die "Ich zitiere Mestermann:
/Schweizer und Österreicher haben da auf Norwegisch einen eindeutigen Vorteil. Umgekehrt bleibt auch bei
"akzentfreien" Norwegern auf Hochdeutsch oft einen kleinen Singsang übrig, der zu vermuten lässt, dass man ursprünglich Österreicher od. Schweizer ist./"
also so ähnlich sind?

Florakom

17.06.10 17:20
Es sind nicht die Wörter (obwohl es da auch ein paar gibt, wie billett).
Es ist die Aussprache generell. Hochdeutsch wird relativ monoton ausgesprochen (wie übrigens auch Dänisch).
Norwegisch hingegen hat (meist) eine ganz andere Satzmelodie. Die Art und Weise wie Schweizer sprechen, kann der norwegischen Satzmelodie ähneln. (Natürlich nicht bei jedem Individuum oder in jeder Region).
Übrigens Gratulation zum Sieg gegen Spanien ;-)

17.06.10 18:24, Florakom ch
Ich bin zwar kein Fussballfan :-) aber trotzdem Danke.
Ist es eigentlich nicht eher das "ch" das uns Schweizer auszeichnet? Ich kenne ja Leute die Hochdeutsche gar nicht verstehen. Also ja, die Hochdeutschen verstehen diese Leute nicht.

17.06.10 23:07, Mestermann no
Ja, also ich sprach von der Melodie, wie 17:20 vermutet.
Betonung wird auf Dänisch und Hochdeutsch vorwiegend mit Stoss gemacht, auf Norwegisch mit Änderung der
Satzmelodie. Dies fällt manchmal hochdeutschsprechenden Norwegischlernenden schwierig (vgl. "bønder" / "bønner");
Schweizer und Österreicher haben da einen Vorteil.

18.06.10 11:25, Geissler de
Deutsch und Dänisch bzgl "stød" in einen Topf zu werfen, ist schon ganz schön keck.
Übrigens hat auch das Norwegische einen Druckakzent, der nur (und das ist das Verwirrende
für Deutsche) oft nicht zusammenfällt, im Deutschen dagegen immer.

Zu unseren Apologeten des "raanen" Hochdeutsch, wie es angeblich rund um Hannover
gesprochen wird: Natürlich habe ich mit meinem Beispiel überspitzt. Es ging mir darum,
einige Aussprachemerkmale ausfzuzeigen, die man regelmäßig von Norddeutschen hört, die
angeblich "Hochdeutsch" sprechen. Dazu gehören Aussprache des anlautenden pf als f,
übermäßige Auslautverhärtung, langes ä mit geschlossener Aussprache ("Keese"),
Vokalisierung des postvokalischen r nicht als Schwa, sondern als a, Rundung des kurzen i
und einige andere.

Vergeßt einmal die Mär vom reinen Hannoveraner Deutsch und hört genauer hin.

Noch eine letzte Bemerkung: Einige norddeutsche Ausspracheidiosynkrasien sind einfach
deshalb Standard geworden, weil Theodor Siebs das so entschieden hat. Es gibt keinen
Grund, warum i der Hochlautung "billig" und "König" mit "-ich" gesprochen werden, außer
daß die Norddeutschen das so gemacht haben und immer noch machen und das irgendwann zur
Norm erklärt wurde.

18.06.10 12:20, Geissler de
" ... oft nicht zusammenfällt" liest der Geneigte Leser und fragt sich: "Mit was denn?".
Mit dem Tonhöhenakzent.