13.06.12 15:40
Hallo,

ich habe eine Frage zu den reflexiven Possessivpronomen. Die werden ja benutzt, wenn der Besitzer auch das Subjekt ist. Was aber ist, wenn das nur zum Teil zutrifft? Konkret:

Ola og Kari sitter i Karis bil --> De sitter i bilen hennes. / De sitter i bilen sin.

Im 1. Satz könnte man doch auch denken, dass das Auto einer ganz anderen Frau gehört, und der 2. Satz klingt für mich so, als gehöre das Auto beiden (aber es ist ja nur Karis Auto). Sehe ich es richtig, dass 1. Satz ohne Kontext nicht eindeutig und der 2. Satz falsch ist? Oder ist auch der 1. falsch und man kann hier gar nicht mit Pronomen arbeiten?

13.06.12 16:13, Mestermann no
Der erste Satz ist eindeutig, insofern man annehmen muss, dass nur von Kari die Rede ist: Ola og Kari sitter i Karis
bil. De sitter i bilen hennes (also Karis Auto).

Wenn aber Ola und Kari im Auto von Petra sitzen würden, wäre der zweite Teilsatz ebenfalls gültig: Ola og Kari sitter i
Petras bil. De sitter i bilen hennes (also Petras Auto).

Der zweite Satz aber lässt eindeutig verstehen, dass sie beide das Auto besitzen, oder ein besitzendes Verhältnis im
übertragenen Sinne dazu haben (sie müssen ja nicht beide das Auto im legalen Sinne besitzen):

Ola og Kari sitter i bilen sin. De satte seg inn i bilen sin og kjørte.

Besitzen andere das Auto, wird es so:

Ola og Kari, de kjente biltyvene, Norges svar på Bonnie and Clyde, stjal Petra og Petters bil. De satte seg inn i bilen
deres og kjørte avgårde med den. Petra og Petter måtte ringe politiet. Som ikke kunne komme. Fordi det var
lønnsforhandlinger. Osv. osv.

13.06.12 16:44, Ulrike Wälder de
Ber om fortsettelse,Mestermann :-)))

13.06.12 19:04
Hei Mestermann,

wie schön (zumindest für uns), daß auch Du wieder zurück im Forum bist.

Bitte entschuldige, daß ich nachfrage, aber was genau verstehst Du unter einem "besitzenden Verhältnis im übertragenen Sinne"? Und was meinst Du mit "Sie müssen ja nicht beide das Auto im legalen Sinne besitzen."? Daß sie nicht beide Eigentümer des Autos zu sein brauchen? Mag sein, daß Dir meine Fragen zu sehr in Richtung "flisespikkeri" gehen, aber ich bekomme immer leichtes Bauchgrimmen, wenn juristische Laien "Besitz" und "Eigentum" gleichsetzen.

Vielleicht macht folgendes Beispiel etwas deutlicher, worauf ich hinaus will:

Angenommen, Ola leiht sich Karis Auto oder mietet es von ihr. Dann erhält er die "tatsächliche Sachherrschaft" über das Fahrzeug und damit nach deutschem Recht (und ich glaube, auch nach norwegischem Rechtsverständnis) den Besitz an dem Auto. Eigentümerin bleibt natürlich Kari. Wenn Ola sich nun in den in seinem Besitz befindlichen, aber in Karis Eigentum stehenden Pkw hineinsetzt, welches Possessivpronomen verwendet man dann? Ola setter seg inn i bilen hennes? Oder doch: Ola setter seg inn i bilen sin?

Wie Du siehst, ist die Verwirrung bei mir inzwischen komplett, und ich fände es wunderbar, wenn Du meine Gedanken wieder ein wenig "entwirren" könntest...

Herzliche Grüße
Birgit

13.06.12 20:34, Geissler de
Birgit, ich glaube, jetzt ist die Juristin mit Dir durchgegengen ;-)

Ich habe das so verstanden, daß man ganz selbstverständlich von "seinem" Auto spricht, auch
wenn es nur gemietet ist (sagst Du: "Ich hol schnell die Kamera aus meinem Auto" oder "Ich
hol schnell die Kamera aus dem Auto von Europcar"?), oder von "seiner" Schule, auch wenn sie
einem nicht gehört.

13.06.12 21:38, Mestermann no
Das hat Geissler ganz richtig verstanden. Wir könnten auch hier ggbf. von "unserem" Forum sprechen.

13.06.12 22:37
Selbst wenn hier die Juristin mit mir durchgegangen ist (was ich gar nicht bestreiten will und wohl auch nicht erfolgreich bestreiten kann), weiß ich immer noch nicht ganz genau, in welchen Fällen ein Norweger ein "besitzendes Verhältnis im übertragenen Sinne" zu einer Sache hat. Wenn Ola und Kari den Wagen von Petra und Petter klauen, machen sie das fremde Auto aus ihrer Sicht doch gerade zu "ihrem" Fahrzeug. Dennoch muß es in dem Fall "De setter seg inn i bilen deres" heißen, da diese Sichtweise von niemandem sonst geteilt wird und sie außerdem nicht mit der geltenden Rechtslage übereinstimmt. Das verstehe ich ja ohne Probleme. Aber ich frage mich nach wie vor, ob Ola - um bei meinem obigen Beispiel zu bleiben - einen von Kari bloß geliehenen Pkw wirklich als "seinen" Wagen ansieht bzw. von ihm als von "seinem" Wagen spricht und ob er sich demzufolge in "bilen sin" oder in "bilen hennes" setzt, wenn er sich in dieses Auto hineinsetzt.

Deshalb meine Bitte an Euch: Laßt mich nicht dumm sterben!

Herzliche Grüße
Birgit

13.06.12 23:43, Mestermann no
Hier, denke ich, funktioniert die norw. Sprache genau wie auf Deutsch.

Man sieht einen Mann auf dem Parkplatz. Er setzt sich in sein Auto und fährt weg.

Ob das nun tatsächlich sein Auto ist, oder das seiner Frau, oder ein Leihwagen, oder ob er es gestohlen hat, wissen
wir nicht, und es spielt für die Aussage keine Rolle. Wir nehmen an, dass es "sein Auto" ist. Denn er setzt sich nicht
in irgendein Auto, er hat schon ein besitzendes Verhältnis dazu, da er ja einen Zündschlüssel hat. Das kommt alles
auf die Sichtweise an.

Nun, wenn Karl sich tatsächlich ins Auto von Petter setzt, und es wichtig für die Aussage ist, von wessen Auto es
handelt, sagt man ja einfach: Er setzte sich in Petters Auto und fuhr damit weg. Han satte seg i bilen til Petter og
kjørte avgårde.

Man entkommt natürlich den Schwierigkeiten, wenn man einfach sagt: Er setzte sich ins Auto und fuhr damit weg -
han satte seg i bilen og kjørte avgårde. Das wäre auch schon ein Auto, zu dem er eine gewisse, besitzende Beziehung
hat, denn er kann es ja betätigen.

Wäre es irgendein Auto, könnte es womöglich von einem Diebstahl handeln: Er setzte sich in ein Auto und fuhr damit
weg - han satte seg i en bil og kjørte avgårde med den. Stand etwa der Zündschlüssel drin?

Die urspr. Frage handelte aber vom reflexiven Possesivpronomen, und davon sind wir jetzt ein wenig abgeschweift.

14.06.12 00:04
Danke, Mestermann, fürs Beantworten meiner ursprünglichen Frage und fürs Zurückkommen aufs Thema.

Ich finde das Ganze unsagbar schwierig (die blöden Possessivpronomen, reflexiv oder nicht, sind mein persönlicher Albtraum, ich weiß auch nicht, warum), und so ganz sicher, ob ich klar sehe, bin ich noch nicht.

Wenn ich sage "De setter seg i bilen sin", klingt es automatisch so, als gehöre der Wagen beiden. Und wenn ich diesen Eindruck nicht möchte, es also klar sein soll, dass das Auto nur Kari gehört, dann muss ich "bilen hennes" sagen - wobei dann keine andere Frau im Kontext herumschwirrten dürfte, der das Auto auch gehören könnte. Hab ich das so richtig verstanden?

(Die Eigentum-Besitz-Debatte macht es nicht leichter, den Durchblick zu bekommen ...)

14.06.12 09:35
Na, wenn Kari ein Auto hat und sie ihren guten Freund Ola mitnimmt, dann gehört das Auto ja schon zu beiden (dieses "zu" vermeidet ganz einfach sämtlichen juristischen Konnotationen von "gehören").
Wenn ich betonen möchte, dass es nicht zu den beiden als Kollektiv gehört, sage ich halt "bilen hennes" oder, um diese Diskussion oder eventuelle Rückfragen zu vermeiden, ganz einfach "bilen til Kari". (So würde man es schließlich auch machen, wenn sich Kari und Line in Karis Auto setzen.) Juristische Fachsimpeleien machen dieses doch sehr simple Konzept auf keinen Fall einfacher.

16.06.12 12:27
Richtig. So etwas nennt man im Deutschen "verkomplizieren" oder "verschlimmbessern".