14.10.08 10:18
Hallo Geissler,

mir ist schon oft aufgefallen, dass Du bzgl. ss - ß die alte Rechtschreibung benutzt.
Gibt's da Gründe? Ist's in Bayern anders? ;-)

Grüße von grete.de

14.10.08 11:01, Ankeline de
Leider hab ich hier kein ß auf der norwegischen Tastatur im Kontor, aber ich finde die alte Rechtschreibung auch schøner! Dass ich pløtzlich "Du" und "Dein" in der Anrede klein schreiben soll, "Euch" und "Ihr" aber weiterhin gross ist doch schon ueberzeugend genug, das zu boykottieren, oder?
wollte-nur-auch-mal-was-dazu-sagen

14.10.08 12:01
Hei Grete,
nicht nur Geissler benutzt die alte Rechtschreibung auch in Deutschland gibt es angesehene Verlage, die sich nicht an das Diktat einiger "Spezialisten", die der deutschen Sprache eine unangenehmes Gesicht zu verpassen halten wollen. Zum Glück, meine ich. Denk dir so eine Rechtschreibvergewaltigung der norwegischen Sprache? Nur mal so gedacht, ich glaube nicht, daß es gehen würde.
Vennlig hilsen fra Claus i Kristiansand

14.10.08 12:08
Hei Claus,
bin kein Reform-Verfechter - musste mich aber wegen der Schuldiktate meiner Kinder doch damit auseinandersetzen. Finde natürlich auch, dass sich der Staat nicht in die Rechtschreibentwicklung einmischen sollte.
Die ss - ß Regelung ist allerdings nicht ganz so daneben und für Deutschlerner einfacher zu durchschauen.
Hilsen tilbake grete.de

14.10.08 14:02, Geissler de
Hallo Grete.de,
ich bleibe privat bei der alten Rechtschreibung, weil ich die Reform als ganze für sehr mißlungen halte, insbesondere auf dem Gebiet der Getrennt- und Zusammenschreibung (die bei der Allgemeinheit nur sehr verzerrt angekommen ist) sowie der Groß- und Kleinschreibung.

Die Änderungen auf dem Gebiet der Fremdwortschreibung sind mir eigentlich egal, nur bin ich der Meinung, daß man da nicht reformierend einzugreifen braucht, da die Sprachgemeinschaft solche Dinge selbst regelt. Siehe "Foto" und "Elefant", aber eben nicht "Kautsch", was der Duden in den 60ern einmal durchdrücken wollte.

Bleibt die reformierte s-Schreibung, die als "Heysesche s-Schreibung" ein alter Hut aus dem 19. Jahrhundert ist. Immerhin hat sie als Vorteil, daß mit ihr eine etwas bessere Laut-Schrift-Zuordnung möglich ist, dieser wiegt aber für mich nicht die bessere Erkennbarkeit der Wortfuge bei der alten (=Adelungschen) Schreibung auf (vgl. "Meßergebnis" und "Messergebnis"). Außerdem verleitet die Regel "ss nach kurzem Vokal" zu Schreibungen wie "Ergebniss".

Das Resultat der Reform ist ja nun, daß jede Zeitung und jeder Verlag seine Hausorthographie hat, wir nähern uns also norwegischen Zuständen.
Ein bedauerliches Mißverständnis ist ja, daß man meint, Rechtschreibung werde durch Regeln erlernt. Man lernt sie aber in erster Linie durch Lesen, und da sieht es nun so aus, daß Literatur in alter und neuer Schreibung munter nebeneinander existiert; die alte Einheit is futsch.

(Wenn ich muß, kann ich natürlich auch nach NRS schreiben.)

Gruß
Geissler

14.10.08 14:16, Geissler de
Hei Claus,
> "Denk dir so eine Rechtschreibvergewaltigung der norwegischen Sprache? Nur mal so gedacht, ich glaube nicht, daß es gehen würde." -- Was meinst Du damit?
Verglichen mit den norwegischen Reformen von 1907, 1917, 1938, 1959 und 1981 ist die deutsche Rechtschreibung auch nach der Reform noch viel näher an der Schreibung von 1900 als die norwegische.
Nur zur Veranschaulichung: Im ersten Absatz von Garborgs "Trætte Mænd" habe ich mal alles markert, was heute anders geschrieben wird:
"Venner er en daarlig Race. De duer ikke til
andet end til at spise Middag med os samt til at
hænge med Hoderne ved vor Grav. Det sidste liker
de bedst. "Endelig er vi da kvit ham," sukker de
og kan i sin Glæde drive det til at sammensubskribere
200 Kroner til Enken."
Das ist doch eine ganze Menge, oder?

Gruß
Geissler

14.10.08 14:36
Hallo Geissler - ach so.
Bin da leider nicht so konsequent, habe mir nur die einfachen neuen Regeln rausgepickt. Natürlich auch, weil man es überall so liest. Vom Rest der Reform habe ich wenig Ahnung. Ich glaube, das geht vielen so und führt zur orthographischen Anarchie....
Grüße grete.de

14.10.08 14:51
Das schlimmste war dieses ewige Hin und Her, bis die endgültige Version stand. "Du" und "Ihr" in Briefen klein - das eine so, das andere so - ach nein, doch beides wieder groß, aber nur wer will... Und schon war die Verwirrung bei der Mehrzahl der Leute perfekt! Viele schreiben heute fröhlich eine gemischte Variante, weil ihnen zwar einige Regeln geläufig sind, andere aber nicht.
Ein Bereich, wo die Norweger "schreibreformtechnisch" weiter sind als wir, ist die Eindeutschung bzw. Einnorwegischung. "Sjåfør" und "buljong" sind ganz normal, wohingegen im Deutschen Buklee, Grisli und Schikoree so einigen Kopfschmerzen bereiten dürfte (mir auch!).
Daniela

14.10.08 16:42
Daniela, "Grisli" was ist denn das?

Ankeline, die Buchstaben ä, ö und ü gehen gut auf der norw. Tastatur (da tippst du erst die Doppelpünktchen neben der Shift-Taste und anschliessend a, o, oder u)
ß ist umständlicher (geht mit Heinzelnisse-Anleitung: Alt-Taste (halten) und 0223 auf dem NUM-Block rechts tippen). Darum benutze ich lieber ss anstelle von ß.

hilsen Ingeling

14.10.08 17:04
Hei Geissler,
danke für das gute Beispiel. Wenn ich ein norwegisches Wörtebuch aufschlage habe ich viele Möglichkeiten für das selbe Wort. Das glaube ich wäre in Deutschland undenkbar. Was natürlich vieles im Deutschen einfacher macht, aber sehr starr ist. Ich finde es besser, wenn man ganze Bücher wie im letzten Jahr im Sørlandet (Faderen, Peder Bjørnson forsvarer seg) geschehen und bestimmt auch Andernorts im Dialaket schreibt. Das macht das Lesen nicht einfacher und das Verstehen schwerer aber führt dazu, daß man sich Gedanken macht, was gemeint ist/war, man lernt hinzu. Ich gebe dir vollständig recht, daß man seinen Wortvorrat am besten durch sprechen und am allerbesten durch lesen erweitert und immer wieder durch fragen. Fragen halte ich für eines der wichtigsten Dinge zum lernen. Darum habe ich Freude am Heinzelnisse, ich lerne.
God ettermiddag fra Claus i Kristiansand

14.10.08 20:02
Ingeling,
der "Grizzly" (engl. gräulich) ist ein amerikanischer Braunbär, der auch in allen Sprachen so geschrieben wird, nur auf Deutsch kann er jetzt auch "Grisli" heißen...
Daniela

15.10.08 00:02
Danke Daniela, ist ja unglaublich! Ich tippte auf eine Art Müsli :-)
hilsen Ingeling

15.10.08 14:23, Geissler de
Hei Claus,
ich denke, wir sind uns einig, daß für Belletristik/skjønnlitteratur andre bzw. gar keine Rechtschreibregeln gelten (an dieser Stelle sei einmal Arno Schmidt mit Nachdruck empfohlen!). Aber wenn man in drei Zeitungen drei verschiedene Varianten der Rechtschreibung findet, kann das für den unsicheren Schreiber verwirrend sein.
Hilsen
Geissler

15.10.08 14:28
Hei Claus,
was du "starr" nennst, erklärt sich so: im Norwegischen kann ein Wort vielerlei Bedeutung haben, deshalb findet man im norw. Wörterbüchern oft viele Möglichkeitsbeispiele für dasselbe Wort. Im Deutschen gibt es viel mehr verschiedene Wörter (und Abstufungen), die dann präzis und nur für das jeweilige Wort übersetzt werden. Das ist also nicht "starr". Für Gleichbedeutendes gibt es Synonymbücher. Sonst würde ein einziges Wörterbuch einfach zu dick.
hilsen Ingeling